Prof. Dr. Stephan Seiter spricht im Bundestag über die Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft.
„Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Es ist schade, dass dieses Thema letztendlich erst so spät am Abend dran ist; denn es geht um ein ganz zentrales Thema, nämlich um die Zukunft unserer Wissenschaft, um die Zukunft des wissenschaftlichen Personals. Was wird aus jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern?
Ich bin jemand, der quasi den gesamten Weg in diesem Bereich hinter sich gebracht hat, angefangen beim Hiwi, wie man so schön sagt, bis irgendwann mal die Professur ins Haus stand. Dahinter steht eine entsprechende Personalakte. Als ich berufen wurde, war die Personalabteilung verblüfft, wie dick die Akte sei, und fragte, was ich alles angestellt hätte. Ich sagte: Nichts; es sind alles Verträge, die ich gehabt habe. - Sprich: Dieses Problem ist nicht erst jetzt ein Problem, wie wir es im Evaluationsbericht gesehen haben, sondern wir haben dieses Problem schon länger. Ich bin froh, dass ich zu diesem Thema heute Abend etwas sagen kann.
Ich möchte auch auf Punkte des Antrags eingehen. Wir haben jetzt schon genug über Zustandsbeschreibungen gehört. Es gibt ja verschiedene Ansatzpunkte im Antrag. Wir sollten uns Gedanken machen, wie diese Punkte in dem Gesetz, das von der Regierung im nächsten Jahr vorgelegt wird, behandelt werden und über was wir nachdenken sollten.
Da gibt es die Forderung, dass eine Befristung nur für Qualifikationsziele zulässig sein soll. Stimmt. Aber ich muss gestehen: Ich teile nicht die Meinung, dass nur die Promotion eine wissenschaftliche Qualifikation ist; denn wer später wirklich auf die Professur kommt, weiß, dass zwischen Promotion und der Professur doch Aufgaben hinzukommen, die man erst einmal unter Anleitung kennenlernen und einüben muss. Das ist zum Beispiel die Betreuung von Doktorandinnen und Doktoranden, das ist die Leitung von wissenschaftlichen Teams, und das ist nicht zwingend nach der Promotion gegeben. Sprich: Den Qualifikationsbegriff müssen wir uns genauer anschauen.
Das zweite Thema ist: Was sind Daueraufgaben? Das ist klar: Wir haben an Universitäten und Hochschulen Daueraufgaben. Da müssen wir uns anschauen: Welche Daueraufgaben sind das tatsächlich? Wir sollten nämlich nicht unter Umständen Daueraufgaben zu wissenschaftlichen Daueraufgaben machen, die sie tatsächlich nicht sind. Da hätte ich mir auch ein bisschen mehr Konkretisierung vorgestellt, wenn man fordert, dass Daueraufgaben mit Dauerstellen besetzt werden solle
Der nächste Punkt im Antrag ist für mich als Volkswirt natürlich ein ganz spannender Punkt. Das ist die Forderung nach 100 000 Stellen für zehn Jahre. Das sind im Jahr je nach Wertigkeit bis zu 8 Milliarden Euro. Jetzt ist die Frage: Wie werden diese 8 Milliarden Euro finanziert? Ich weiß, es gibt ein paar gute Ideen aus der linken Ecke, wie man so etwas finanziert. Da sei aber darauf verwiesen: Auch die Besteuerung von Vermögensbeständen ist endlich, wenn das Vermögen letztendlich aufgebraucht ist. Daher sollten wir uns auch mal ein paar Gedanken machen: Sind solche Dinge überhaupt möglich?
Die nächste Frage ist: Was kann tatsächlich getan werden? Was ist ein wichtiger Punkt? Es geht um das Thema Personalplanung. Auch darüber müssen wir uns Gedanken machen, dass an den Universitäten mehr wirkliche Personalplanung stattfindet. Welche verschiedenen akademischen Karrieren sind möglich? Muss es immer zwingend die Professur se
Dazu haben sich die Universitäten auf den Weg gemacht. Es gibt gute Beispiele, wie man das tun kann. Gerade da sollten wir Universitäten ermutigen.
Ein wichtiger Punkt in diesem Zusammenhang ist: Das Gesetz darf nicht die Hochschulautonomie einschränken. Es kann nicht sein, dass Universitäten nicht mehr entscheiden können, wie flexibel sie auch beim Personal sind. Ich wehre mich, ehrlich gesagt, auch immer wieder gegen diesen Vorwurf, Beschäftigungen an der Hochschule, an der Universität mit Ausbeutung zu verbinden.
Das ist eine Unterstellung. Vielleicht hat die eine oder der andere das erlebt; aber ich kenne es anders. Ich kenne es zum Beispiel auch so, dass kürzere Verträge gegeben werden, um noch eine Chance zu geben, ein Promotionsverfahren abzuschließen und zu einem Ende zu kommen. Auch solche Dinge sollten wir bei der Gesetzgebung berücksichtigen.
Also, lassen Sie uns im Ausschuss debattieren! Wir haben gesehen, dass die Stakeholder unterschiedliche Sichtweisen haben, sogar in den Gruppen selbst. Das, würde ich sagen, ist unsere Aufgabe: wenn der Referentenentwurf kommt, da genauer hinzuschauen.
Deswegen bleibt mir an dieser Stelle nur noch, Ihnen allen ein frohes Weihnachtsfest zu wünschen und einen guten Rutsch ins neue Jahr, dass wir gut erholt diese Aufgaben im nächsten Jahr angehen können.
Vielen Dank.“