Prof. Dr. Stephan Seiter

Plenardebatte zum Deutschen Wisschenschaftssystem

Prof. Dr. Stephan Seiter im Bundestag 
Prof. Dr. Stephan Seiter im Bundestag

„Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir sprechen heute über den Antrag der CDU/CSU zum Thema „Entlastungspaket und Notfallfonds einrichten, um Schaden vom deutschen Wissenschaftssystem abzuwenden“. Das ist ein aktueller und relevanter Antrag. Es geht in der Tat um unser Wissenschaftssystem, das international eine Spitzenstellung einnimmt. Wir haben es schon an verschiedenen Stellen gehört: Das Wissenschaftssystem, genauer alle Beteiligten dieses Systems haben in den letzten zweidreiviertel Jahren große Leistungen erbracht. Dafür sollten wir alle gemeinsam dankbar sein. Da teile ich Ihre Einschätzung, liebe Frau Kollegin Sitte, dass wir dafür nicht genug danken können. Es waren extrem schwierige Bedingungen, und die Bedingungen dürfen jetzt nicht schwieriger werden. Das ist auf jeden Fall klar.

Aktualität und Relevanz sind aber letztendlich nicht zwingend das, was eine zielorientierte und lösungsorientierte Vorgehensweise begründet. Vielmehr müssen wir uns noch mal Gedanken darüber machen: Was sind die Ursachen? Ich denke, wir sind uns hier im Haus alle einig - bis auf vielleicht eine kleine Gruppe zu meiner Rechten -, dass die Ursache der Putin’sche Angriffskrieg ist. Damit müssen wir klar anerkennen: Die Ursache liegt dort.

Die zweite Sache, die wir anerkennen müssen, ist natürlich, dass in der Vergangenheit eine Energiepolitik gemacht wurde, die zu stark auf die Abhängigkeit von einzelnen großen Lieferanten gesetzt hat. Das sind aber Dinge, die wir kurzfristig nicht werden lösen können. Kurzfristig bedrückt die außeruniversitären Forschungseinrichtungen, die Universitäten, die Hochschulen das Problem gestiegener Energiepreise, gestiegener weiterer Kosten. Wir haben hier auch das Thema Inflation, die natürlich durchaus auch zu Lohnforderungen im Tarifbereich führen wird. Die Hochschulen, die Universitäten, die Forschungseinrichtungen stehen vor diesem Problem, und wir müssen uns darüber klar werden, wie wir dieses Thema angehen.

Niemand in diesem Haus wird bereit sein, das Wissenschaftssystem so zu gefährden, dass wichtige Daten, wichtige Zellproben, wichtige Bohrkerne verloren gehen. Und wir sind uns alle darüber einig, dass wir in diesem Fall aktiv werden müssen. Das ist, was mich jetzt zum Beispiel am Antrag der CDU/CSU etwas stört: Es wird von einer „Tatenlosigkeit“ gesprochen. Diese Tatenlosigkeit ist nicht gegeben.

Die Ministerin setzt sich für das Wissenschaftssystem ein.

Es ist ein Faktum - heute nachlesbar im „Handelsblatt“ -, dass die Ministerin fordert, die außeruniversitären Einrichtungen unter den Abwehrschirm zu nehmen. Die außeruniversitären Forschungseinrichtungen haben große Rücklagen, sie sind bereit, diese Rücklagen abzubauen. Das ist der solidarische Beitrag dieser Institutionen. Aber sie müssen - und das unterstützen wir sehr - unter den Abwehrschirm genommen werden.

Die Schulen und Hochschulen sind auch als geschützte Kunden auf der Liste. Sie werden unter den Abwehrschirm genommen. Darüber haben sich, wie wir wissen, die Ministerin für Bildung und Forschung und der Wirtschaftsminister ausgetauscht, und es geht wohl auch dort in die Richtung, dass es gut wird.

Das Nächste, was natürlich Sache ist: Die Hochschulen bereiten Notfallpläne vor, sie ergreifen Sparmaßnahmen. Das ist der Beitrag der Hochschulen. Es darf aber nicht passieren, dass die Hochschulen dann wieder aus dem Präsenzbetrieb herausgehen. Das wollen wir alle gemeinsam hier in diesem Haus sicherlich nicht. Aber wir wissen auch: Der Spielraum für die Hochschulen ist begrenzt. Es gibt ein Sparpotenzial, aber dieses Sparpotenzial ist endlich. Das wurde auch schon an verschiedener Stelle angesprochen.

Da kommt jetzt der nächste Spieler auf den Platz. Dieser nächste Spieler, das sind die Länder. Da ist schon die Frage erlaubt: Was haben die Länder bisher getan, um ihren Hochschulen zu helfen? Einzelne Länder haben schon Einstellungen in den Haushalt vorgenommen, andere Länder sind noch im Such- und Findungsprozess. Es gibt auch Länder - Sie wissen, ich komme aus Baden-Württemberg, und ich schaue in Richtung meines östlichen Nachbarn -, die bisher gar nichts gemacht haben und es auf den Bund schieben. So können wir diese Krise nicht angehen und lösen, und so lassen wir letztendlich unser Hochschulsystem allein. Die Länder haben einen haushalterischen Spielraum, sie sind Träger der Hochschulen. Sie dürfen sich nicht immer nur mit den Leistungen und den tollen Ergebnissen der Hochschulen schmücken und dann, wenn sie in Not geraten, nach jemand anderem rufen, nach der großen Schwester oder der Schutzpatronin, wie es Kollege Jarzombek vorhin gesagt hat.

Meine Damen und Herren, die Ministerin ist im Austausch mit den Stakeholdern. Ansonsten hätte es diese Maßnahmen, diese Aktivitäten letztendlich nicht gegeben. Die Koalition bekennt sich zum Schutz des Wissenschaftssystems. Wir haben viele Maßnahmen auf den Weg gebracht. Dankenswerterweise hat Kollege Jarzombek sie alle aufgeführt, sodass ich es an dieser Stelle nicht mehr tun muss.

Und seien Sie versichert: Gemeinsam werden wir das meistern. Wir werden aber die Solidarität aller Beteiligten brauchen, um diesen Weg zu gehen, um das Bildungssystem zu sichern. Denn - und damit komme ich zum Schluss - unser Wissenschaftssystem ist Garant dafür, dass wir technologische Souveränität wieder erreichen können, dass wir im Systemwettbewerb, der sich international ergeben hat, auch wieder eine starke Position einnehmen. Das müsste Grund für uns alle sein, gemeinsam ohne Polemik in diesem Feld nach vorne zu gehen.

Vielen Dank.“