Meine erste Rede im Deutschen Bundestag: Wehrhafte Demokratie
Die Rede in voller Länge:
„Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren heute über den Antrag der CDU/CSU-Fraktion ‚Für eine wehrhafte Demokratie - Gegenüber jeglicher Art von Extremismus‘.
Als ich diesen Titel gelesen habe, dachte ich mir ganz spontan: interessant, relevant, wichtig.
Dann haben sich in meinem Kopf plötzlich ein paar Fragen eingestellt. Die wichtigste Frage, die sich mir gestellt hat, war: Ist es nicht für alle Demokratinnen und Demokraten eine Selbstverständlichkeit, für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten,
sie gegen jede und jeden, der diese Grundordnung infrage stellt, gegen jegliche Form der Gewalt, gegen jede Form des Extremismus zu verteidigen? Ja, meine Damen und Herren, das ist eine Selbstverständlichkeit für diese Regierung und die sie tragenden Koalitionsparteien.
Der neue Bericht des BKA zeigt, dass die Zahl der politisch motivierten Gewalttaten insbesondere in den letzten beiden Jahren gestiegen ist. Das gilt auch für die Gesamtzahl der politisch motivierten Straftaten. Eine solche Entwicklung dürfen wir nicht hinnehmen. Diese Zahlen sind nämlich nicht nur Daten, sie bedeuten: Mehr Menschen sind Opfer politisch motivierter Taten geworden. Ihnen muss unsere Solidarität gelten.
Allen Formen des Extremismus muss entschieden entgegengetreten werden. Dies darf aber nicht bei Maßnahmen zur Bekämpfung von Symptomen enden. Vielmehr müssen wir auch die Ursachen für extremistische Orientierungen angehen. Es muss gelingen, die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Bewusstsein der Menschen zu verankern. Das geplante Demokratiefördergesetz - es wurde schon angesprochen - wird ein wichtiger Schritt sein zur Erreichung dieses Ziels. Dieser Schritt ist notwendig.
Als Wissenschaftspolitiker, der auf drei Jahrzehnte praktische Erfahrungen im Bildungswesen zurückblicken kann, weiß ich um die Bedeutung von Forschung und Bildung für gesellschaftliche Entwicklungen. Politische Bildung kann in allen Lebensphasen dazu beitragen, die Idee einer offenen Gesellschaft zu verstehen und deren Akzeptanz bei den Menschen zu steigern.
Freiheit und Demokratie sind keine Selbstverständlichkeit. Wir müssen ihre Grundlagen verstehen; wir müssen ihre Vorteile kennen; wir müssen für sie kämpfen. Bildung kann Menschen dazu befähigen.
Es gilt, mehr in Forschung über soziale Zusammenhänge, Krisensicherheit und Resilienz gegenüber extremistischen Entwicklungen zu investieren. Eine wissenschaftlich fundierte Analyse bereitet die Grundlage für ein effektives politisches Handeln. Es gilt zum Beispiel zu verstehen, warum sich Menschen aus der gesellschaftlichen Mitte während der Coronapandemie radikalisiert haben und ob sich daraus eine dauerhafte Herausforderung für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft und das Bekenntnis zu Freiheit und Demokratie ergibt.
Für die Koalition geht es nicht darum, nur Symptome des Extremismus zu bekämpfen. Wir müssen auch die Potenziale für einen weiteren Anstieg der Zahl extremistisch denkender und handelnder Personen reduzieren.
Wir müssen die Grundlagen schaffen, dass Extremismus aus unserer Gesellschaft endlich verschwindet und keinen weiteren Nährboden in der Zukunft hat. Das schließt natürlich auch ein, dass jegliches staatliche Handeln, das zum Beispiel die Grundrechte zur Bekämpfung des Extremismus einschränkt, genau auf seine Verfassungskonformität überprüft werden muss.
Lassen Sie mich zum Schluss Folgendes betonen: Bei der Bekämpfung des Extremismus sind Rechtsstaatlichkeit und faktenbasierte Entscheidungen Grundlage für Erfolg und Akzeptanz der Maßnahmen. Lassen Sie uns deshalb bitte nicht den Weg der Angst, sondern einen Weg der Vernunft gehen.
Vielen Dank.“