Gründergeist im Rems-Murr-Kreis macht Hoffnung
„Die Wirtschaft schwächelt, die Hoffnung lebt“, sagt der FDP-Bundestagsabgeordnete und Professor der Volkswirtschaft Dr. Stephan Seiter aus Fellbach angesichts des Gründergeistes im Rems-Murr-Kreis: „3.824 Gewerbeanmeldungen im Jahr 2023 zeigen, dass sich die Stimmung wieder aufhellt, nach dem die Koalition die Bedingungen insbesondere für Firmengründer und junge kleine und mittlere Unternehmen verbessert hatte.“ 2023 brachte eine kleine Rezession, das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sank bundesweit um minus 0,1 Prozent, wie das Statistische Bundesamt meldet. Für die Kreisebene fehlen diese Zahlen noch. „Aber die vorliegenden Daten zeigen, wie wichtig eine positive Grundstimmung ist.“
Lebensziel Chef oder Chefin? Neue Zahlen vom Gründergeist zeigen, dass dieses Ziel bundesweit attraktiver ist als in den letzten Jahren: Die jüngste Auswertung der Regionaldatenbank Genesis belegt, dass die Zahl der Gewerbeanmeldungen im Rems-Murr-Kreis bis Ende 2023 bei 3.824 Firmengründungen lag. Verglichen mit dem Jahr davor ging diese Zahl um 136 nach oben. „2021 wurde aber bei uns mit 3.948 Anmeldungen trotz Corona der aktuelle Spitzenwert erreicht“, sagt Stephan Seiter: „Es ist also wieder Luft nach oben.“
Stephan Seiter, der im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Professor an der Hochschule Reutlingen auch zeitweise für die Betreuung von Gründerinnen und Gründern aus dem Kreis der Studierenden und Mitarbeitenden zuständig war, rechnet damit, dass sich das Gründerklima 2024 weiter verbessert: „Die Ampel baut Bürokratie ab und hat mit dem Wachstumschancengesetz erste Verbesserungen eingeleitet.“ Die Gründerinnen und Gründer im Rems-Murr-Kreis schwimmen derzeit mit dem Bundestrend. Nach bundesweitem Rückgang 2022 wurden 2023 in Deutschland 714.995 oder 41.532 mehr Gewerbeanmeldungen als 2022 abgegeben. Für den Platz in einer Gründergeistbundesliga müssen die Gewerbeanmeldungen aber auf einen vergleichbaren Wert umgerechnet werden: Hierzu wird die Zahl der Firmengründenden pro 10.000 Einwohner als Indikator genommen: Für den Rems-Murr-Kreis reichten rund 88 Firmengründerinnen und -gründer je 10.000 Einwohner zu Platz 133 unter 402 ausgewerteten Stadtstaaten, Stadt- und Landkreisen. Spitzenreiter ist Leverkusen mit 166, Schlusslicht ist der Kreis Wittenberg mit einer Quote von knapp 43.
Der Gründergeist ist in Deutschland gut messbar, weil am Anfang eines etwaigen unternehmerischen Erfolges immer ein Formular auszufüllen ist: die Gewerbeanmeldung (nur Freiberufler brauchen die nicht, deswegen sind ihre Gründungen auch statistisch nicht erfassbar). Über das Formular wird die gewerbliche Entwicklung im Vergleich zu anderen Staaten recht genau erfasst. Aktuell liegen in der von den Statistischen Landesämtern betriebenen Regionaldatenbank die Zahlen aus den Gewerbeämtern bis zum 31.12.2023 vor. Im Rems-Murr-Kreis lautet die Zeitreihe bei den Gewerbeanmeldungen 2023: 3.824 Anmeldungen, 2022: 3.688, 2021: 3.948 Gründungen. Seiter: “2020 wagten 3.663 den Schritt in die Selbstständigkeit, obwohl da die Corona-Pandemie gerade Fahrt aufnahm.“
„Die absolute Zahl sagt aber wenig, weil sie natürlich von der Bevölkerungszahl abhängig ist: je mehr Menschen, je mehr mit Unternehmungsgeist, wenn der Anteil überall gleich ist“, so der Volkswirtschaftsprofessor: Deswegen wird die Zahl der Gründungen mit der Bevölkerungszahl abgeglichen, dann kommt ein bundesweit vergleichbarer Wert heraus.“ Freilich sagt der so für 2023 errechnete Wert von 88 Firmengründern und -gründerinnen je 10.000 Einwohner im Rems-Murr-Kreis „nur wie groß der Drang in die Selbstständigkeit ist.“
Die Erfolgschancen zu beurteilen, die sich am Ende in Arbeitsplätzen, lokaler Wirtschaftskraft und interessanten Unternehmen niederschlagen, ist schwieriger. „Dafür schätzen die Statistiker die Chancen der Gründung ab, soweit das möglich ist: 2023 bekamen von den 3.824 Gewerbeanmeldungen im Rems-Murr-Kreis insgesamt 2.997 das Prädikat ”Neuerrichtungen”, womit Gewerbe beschrieben werden, die es bei uns vorher noch nicht gab.“ In denen wiederum wurden 508 als ”Betriebsgründungen” eingestuft, denen die Experten eine größere wirtschaftliche Bedeutung beimessen, weil sie meinen, dass diese Firmen auf Sicht wirtschaftlichen Erfolg und Arbeitsplätze bringen. 2022 hatte deren Zahl bei 512 gelegen. Diese besonders wichtigen Gründungen lagen 2023 im Rems-Murr-Kreis also um vier niedriger als im Vorjahr.
Es muss auch nicht jeder oder jede unbedingt ein neues Unternehmen gründen. Betriebsübernahmen sind auch eine Möglichkeit Chef oder Chefin zu werden. „Nähere Informationen liefert der Blick auf die 3.284 Gewerbeabmeldungen: Nur 2.459 waren 2023 ”echte Aufgaben”, aber von diesen fielen tatsächlich nur 439 in die Klasse der ”Betriebsaufgaben”, bei denen auch von größeren Arbeitsplatzverlusten auszugehen ist“, beschreibt Stephan Seiter die aktuelle Lage. Ansonsten steckten in den Abmeldungen auch 264 Betriebe, die an Nachfolger oder Käufer übergeben wurden, also bei den Anmeldungen in der Zahl der Übernahmen mit 302 größtenteils wieder auftauchen und bei denen unterm Strich die Arbeitsplätze nicht unbedingt verloren gegangen sind.
Unter dem Strich sieht’s positiv aus: „Ziehen wir die 3.284 Gewerbeab- von den Gewerbeanmeldungen ab, bleibt 2023 ein Gründersaldo von plus 540 Gründungen, die Hoffnung auf zusätzliche Jobs machen“, sagt Stephan Seiter Gut oder schlecht? „Wenn Chef oder Chefin erfolgreich schaffen, schaffen sie Arbeitsplätze. Das wäre die gute Nachricht. Außer der Fachkräftemangel kommt ihnen in die Quere.“