FDP-Bundestagsabgeordneter und Ökonom ist mit den steigenden Zahlen nicht zufrieden
Neue Zahlen vom Gründergeist: Die jüngste Auswertung der Regionaldatenbank Genesis zeigt, dass die Zahl der Gewerbeanmeldungen im Rems-Murr-Kreis bis Ende 2021 bei 3.948 Firmengründungen lag. Verglichen mit dem Jahr davor ging diese Zahl um 285 nach oben. Für Professor Dr. Stephan Seiter, FDP-Bundestagsabgeordneter aus Fellbach und Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion für Forschung, Technologie und Innovation, ist das zu wenig: „Die Daten sind besorgniserregend. Gründungen von heute sind die Grundlage für die Schaffung von Arbeitsplätzen. Heute und morgen. Die Firmengründungen müssen noch stärker steigen.“ Er setzt auf verbesserte Rahmenbedingungen unter anderem auch durch die Deutsche Agentur für Transfer und Innovation (DATI).
Die Gründer und Gründerinnen im Rems-Murr-Kreis schwimmen derzeit mit dem Bundestrend, der ebenfalls nach oben zeigt. Nach bundesweitem Rückgang 2020 wurden 2021 in Deutschland 704.949 oder 19.576 mehr Gewerbeanmeldungen abgegeben. Für eine Gründerbundesliga müssen die Gewerbeanmeldungen aber auf einen vergleichbaren Wert umgerechnet werden: Hierzu wird die Zahl der Firmengründenden pro 10.000 Einwohner genommen: Für den Rems-Murr-Kreis reichten rund 92 Firmengründer und -gründerinnen je 10.000 Einwohner zu Platz 92 unter 403 ausgewerteten Stadtstaaten, Stadt- und Landkreisen. Spitzenreiter ist der Kreis München mit 161, Schlusslicht ist der Kyffhäuserkreis mit einer Quote von 36.
Die Rolle, die Gründungen für die Volkswirtschaft spielen, definiert der Fellbacher Bundestagsabgeordnete, der vor dem Wechsel in den Bundestag Professor für Volkswirtschaftslehre an der ESB Business School der Hochschule Reutlingen war, wie folgt: „Gründungen sind in der Regel das Ergebnis neuer Ideen für Produkte und Dienstleistungen. Aus Forschung und Entwicklung werden Innovationen. Letztere sind Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft.“ Das erklärt auch, warum er die erreichten Werte kritisch sieht: „Sie sind zu niedrig.“
Der Gründergeist ist in Deutschland gut messbar, weil am Anfang eines etwaigen unternehmerischen Erfolges immer ein Formular auszufüllen ist: die Gewerbeanmeldung (nur Freiberufler brauchen die nicht, deswegen sind ihre Gründungen auch statistisch nicht erfassbar). Über das Formular wird die gewerbliche Entwicklung im Vergleich zu anderen Staaten recht genau erfasst. Aktuell liegen in der von den Statistischen Landesämtern betriebenen Regionaldatenbank Genesis die Zahlen aus den Gewerbeämtern bis zum 31.12.2021 vor. Im Rems-Murr-Kreis lautet die Zeitreihe bei den Gewerbeanmeldungen 2021: 3.948 Anmeldungen, 2020: 3.663, 2019: 3.464 Gründungen, 2018 wagten 3.552 den Schritt in die Selbstständigkeit.
Die absolute Zahl sagt aber wenig, weil sie natürlich von der Bevölkerungszahl abhängig ist: je mehr Menschen, je mehr mit Unternehmungsgeist. Aber wird die Zahl der Gründungen mit der Bevölkerungszahl abgeglichen, kommt ein bundesweit vergleichbarer Wert heraus. Freilich sagt der so für 2021 errechnete Wert von 92 Firmengründern und -gründerinnen je 10.000 Einwohner nur wie groß der Drang in die Selbstständigkeit ist.
Die Erfolgschancen zu beurteilen, die sich am Ende in Arbeitsplätzen, lokaler Wirtschaftskraft und interessanten Unternehmen niederschlagen, ist schwieriger. Seiter: „Dafür schätzen die Statistiker die Chancen der Gründung ab, soweit das möglich ist: 2021 bekamen von den 3.948 Gewerbeanmeldungen im Rems-Murr-Kreis insgesamt 3.089 das Prädikat ”Neuerrichtungen”, womit Gewerbe beschrieben werden, die es bei uns vorher noch nicht gab. In denen wiederum wurden 569 als ”Betriebsgründungen” eingestuft, denen die Experten eine größere wirtschaftliche Bedeutung beimessen, weil sie meinen, dass diese Firmen auf Sicht wirtschaftlichen Erfolg und Arbeitsplätze bringen.“ 2020 hatte deren Zahl bei 551 gelegen. Diese besonders wichtigen Gründungen lagen 2021 im Rems-Murr-Kreis also um 18 höher als im Vorjahr. Ziehen wir die 2.850 Gewerbeabmeldungen von den Gewerbeanmeldungen ab, bleibt für 2021 ein Gründersaldo von plus 1.098 Gründerinnen und Gründern, die Hoffnung auf zusätzliche Jobs machen.
Für den Fellbacher Bundestagsabgeordneten kann diese Zahl nur eine Zwischenetappe auf dem Weg zu einer besseren wirtschaftlichen Entwicklung sein. Die Weichen für ein verbessertes Gründungsklima seien mit dem Koalitionsvertrag gestellt: „‘Mehr Fortschritt wagen‘ bedeutet auch die Förderung von Gründungen und Innovationen. Die Ampelkoalition hat sich dies zur Aufgabe gemacht. Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Deutsche Agentur für Transfer und Innovation (DATI) wird verbesserte Rahmenbedingungen für technologische und soziale Innovationen und Wissenstransfer schaffen.“ Seiter ist davon überzeugt, dass auch der Rems-Murr-Kreis als innovativer Standort davon profitieren wird.
Es muss auch nicht jeder unbedingt ein neues Unternehmen gründen. Betriebsübernahmen werden mit zunehmendem Alter der Betriebsinhabenden eine wachsende Möglichkeit neue wirtschaftliche Impulse zu setzen, sagt Stephan Seiter. Deswegen gehört auch der Blick auf die 2.850 Gewerbeabmeldungen zur Gesamtlage: Nur 2.043 waren 2021 ”echte Aufgaben”, aber von diesen fielen tatsächlich nur 382 in die Klasse der ”Betriebsaufgaben”, bei denen auch von größeren Arbeitsplatzverlusten auszugehen ist. Ansonsten steckten in den Abmeldungen auch 240 Betriebe, die an Nachfolger oder Käufer übergeben wurden, also bei den Anmeldungen in der Zahl der Übernahmen mit 313 größtenteils wieder auftauchen und bei denen unterm Strich die Arbeitsplätze nicht unbedingt verloren gegangen sind. Stephan Seiter: „Auch das ist für eine gesunde Wirtschaftsstruktur wichtig.“