Prof. Dr. Stephan Seiter

Dass Flüchtlinge einfach durchgewunken werden, muss in der EU und in BW sofort gestoppt werden

„Die einen winken sie an der Grenze durch, Baden-Württemberg verteilt sie einfach auf die Kreise. Beides muss sofort gestoppt werden“. Auf diesen Punkt bringen der Fellbacher FDP-Bundestagsabgeordnete Stephan Seiter und die FDP-Landtagsabgeordneten Jochen Haußmann (Kernen) und Julia Goll (Waiblingen) ihre Position in der Flüchtlingsfrage. Dass der Rems-Murr-Kreis an den Grenzen der Belastbarkeit ist, erfuhr Stephan Seiter hautnah beim Besuch des Rems-Mur-Kreistages in Berlin: „Die haben uns mächtig auf den Zahn gefühlt“, sagt er auch mit Blick auf seine Backnanger CDU-Kollegin Inge Grässle, mit der er zusammen den Kreisrätinnen und -räten Rede und Antwort stand. „Sehr verständlich“ sagt er zur Kritik, angesichts der Probleme, die aktuell darin gipfeln, dass der Rems-Murr-Kreis ab 19. Oktober eine Zeltunterkunft in Backnang belegen muss. Er habe auf das neue Positionspapier der FDP-Bundestagsfraktion verwiesen, „dessen Umsetzung wir jetzt bei den Koalitionspartnern einfordern.“ Im Fokus ist aber nicht nur die Bunderegierung, sondern auch das Land Baden-Württemberg. „Dessen Verhalten ist unsolidarisch gegenüber den Kommunen“, sind sich die drei Abgeordneten einig und greifen damit die Kritik des Landratsamtes auf: „Laut Bundesgesetz sollen Asylbewerber bis zur Entscheidung über den Asylantrag und - im Falle einer Ablehnung - bis zur Ausreise in den Erstaufnahmeeinrichtungen verbleiben. In der Praxis werden aber … alle ankommenden Asylbewerber in der Regel bereits einen Monat nach Ankunft ungeachtet des Status ihres Asylverfahrens auf die Stadt- und Landkreise verteilt. Resultat ist, dass die Stadt- und Landkreise derzeit die Hauptlast der angestiegenen Flüchtlingszugänge tragen“, so Steffen Blunck vom Landratsamt in einem Bericht der Waiblinger Kreiszeitung. „Wir fordern das Land auf, unverzüglich zur gesetzlichen Praxis zurückzukehren“, sagen die drei Abgeordneten.

„Wir müssen schnellstens in die Umsetzung kommen“, hat Stephan Seiter mit Blick auf die FDP-Position für eine zukunftsfähige Migrationspolitik aus der Diskussion mit den Kreisrätinnen und -räten mitgenommen: „Es gibt zwar Verständnis dafür, dass Fehler aus 16 Jahren, nicht von heute auf morgen ausgebügelt werden können, aber übermorgen sollte es schon sein. Das muss die Regierung leisten.“ Das könne sie auch: „Die FDP-Bundestagsfraktion hat inzwischen ein Positionspapier verabschiedet, mit dem wir die Maßnahmen nennen, die auf Bundes- und europäischer Ebene möglich sind, um die irreguläre Migration einzudämmen.“

24 Punkte listet dieses Positionspapier auf, „wo wir schnell besser werden müssen“:

  1. Asylsystem entlasten — Georgien und Moldau als sichere Herkunftsstaaten einstufen
  2. Weitere sichere Herkunftsstaaten identifizieren — Geregeltes Verfahren zur Einstufung
  3. Kommunen entlasten — Asylverfahren beschleunigen und Missbrauch verhindern
  4. Rechtliche Möglichkeiten nutzen — Sachleistungen priorisieren, Bezahlkarten einführen und Rücküberweisungen unterbinden
  5. Leistungsbezug reduzieren — Arbeitsverbote reformieren
  6. Unrechtmäßigen Aufenthalt beenden — freiwillige Ausreise fördern
  7. Abschiebungen durchsetzen — föderale Aufgabenverteilung ernst nehmen
  8. Abschiebungen durchsetzen — Ausreisegewahrsam ausweiten
  9. Schleuserkriminalität bekämpfen — Fahndungsdruck erhöhen
  10. Klare Zuständigkeiten schaffen — mehr Abschiebungen durch die Bundespolizei zulassen
  11. Identitäten klären und Verfahren beschleunigen — Vereinfachung und Digitalisierung von Verwaltungsverfahren
  12. Grenzen der Aufnahmefähigkeit anerkennen — Integrationskapazitäten im Blick behalten
  13. Grundrechte schützen — für ein funktionierendes europäisches Asylsystem
  14. Migration ordnen — weitere Migrationsabkommen abschließen
  15. EU-Außengrenzen sichern — FRONTEX stärken
  16. Weniger irreguläre Migration, mehr sichere Fluchtwege — Prüfung von Asylanträgen in Drittstaaten ermöglichen
  17. Mehr europäische Vergleichbarkeit schaffen — Verfahren, Kriterien und Sozialleistungen angleichen
  18. Integration verbessern — Beschäftigungsquote bei Menschen aus der Ukraine erhöhen
  19. Zustrom nach Europa reduzieren — für eine neue EU-Türkei-Erklärung
  20. Freizügigkeit in Europa schützen – Binnengrenzkontrollen nur als Ultima Ratio
  21. Verantwortung im Föderalismus übernehmen — für eine faire Finanzierung der Flüchtlingskosten
  22. Mehr reguläre Einwanderung — Fachkräfteeinwanderungsgesetz praktisch umsetzen
  23. Parallelgesellschaften verhindern — Integration aktiv einfordern
  24. Neue Wege in der Stadtplanung — für funktionierende und verbindlichere Integration

 

Der Erfolg aller Maßnahmen, der bestehenden und derer, die noch folgen sollen, hänge allerdings an Dritten: „Den Staaten an der EU-Außengrenze und in der EU, die Flüchtlinge einfach in Richtung Deutschland durchwinken. Dem muss ein Riegel vorgeschoben werden.“

Die Kritik richtet sich dabei auch an das Land. Denn nur wenn sich Baden-Württemberg an Recht und Gesetz halte, „haben die Kommunen eine echte Chance auf Entlastung“, sagt Stephan Seiter. Die grün-schwarze baden-württembergische Landesregierung steht bei den Liberalen dabei deshalb besonders im Fokus, weil Jochen Haußmann und Julia Goll das Handeln des Landes nicht nur als FDP-Landtagsabgeordnete, sondern auch als Kreisräte und Mitglieder der FDP/FW-Kreistagsfraktion als unsolidarisch, mehr noch als unrechtmäßig empfinden: „Dass Asylbewerber vom Land nach einem Monat an die Kommunen weitergereicht werden, verstößt gegen das Bundesgesetz, demzufolge Asylbewerber bis zur Entscheidung über den Asylantrag und - im Falle einer Ablehnung - bis zur Ausreise in den Erstaufnahmeeinrichtungen verbleiben.“

„Welche Folgen das hat, können wir in der Praxis erleben und in der Zeitung nachlesen“, sagt Julia Goll und zitiert aus der WKZ vom 29. September:  „Würde die Regel eingehalten, würden circa 73 Prozent der türkischen Asylbewerber nicht die vorläufige Unterbringung erreichen. Die meisten Bewohner der Kreis-Unterkünfte kommen aus der Türkei (475 Personen) und Syrien (461 Personen). Während Asylanträge von Syrern derzeit laut Steffen Blunck zu 90 Prozent anerkannt werden, beträgt die Anerkennungsquote bei Asylantragsstellern aus der Türkei derzeit nur 27 Prozent.“ Auch angesichts dieser Zahlen sind sich Julia Goll, Jochen Haußmann und Stephan Seiter einig: „Wir müssen das System vereinfachen, auf die Realitäten ausrichten und schneller machen: Wer als Fachkraft zuwandern will, darf nicht in einem Asylverfahren landen, sondern muss schnell ein Ja oder Nein bekommen. Am besten schon im Heimatland. Wer keine Chancen auf Asyl hat, muss viel schneller Bescheid wissen und nach Hause geschickt werden. Und wer in seinem Heimatland politisch verfolgt wird, dessen Asylantrag muss schneller bewilligt werden. In den letzten beiden Punkten ist das Land in der Pflicht.“ Eigentlich, sinnieren Jochen Haußmann und Julia Goll, „müsste der Kreis Asylbewerber die unrechtmäßig zugewiesen werden, gleich wieder zurückschicken, aber wir haben Verständnis dafür, wenn er das aus menschlichen Gründen nicht tut. Aber das Land darf das nicht ausnutzen.“